Diagnose von dissoziativen Störungen
Wie man Dissoziation erkennt und von anderen Störungen abgrenzt
Dissoziative Störungen sind oft schwer zu diagnostizieren, da ihre Symptome mit anderen psychischen oder neurologischen Erkrankungen verwechselt werden können. Eine präzise Diagnostik ist daher entscheidend, um die richtige Behandlung einzuleiten.
Warum werden dissoziative Störungen oft übersehen?
- Hohe Überschneidungen mit anderen Erkrankungen:
Dissoziative Symptome treten häufig auch bei anderen Störungen auf, etwa bei:
- Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS)
- Borderline-Persönlichkeitsstörung
- Schizophrenie oder anderen Psychosen
- Neurologischen Erkrankungen (z. B. Epilepsie, Migräne)
- Verwechslung mit körperlichen Erkrankungen: Manche dissoziative Symptome ähneln neurologischen Störungen wie Gedächtnisverlust oder Lähmungen. Dadurch werden Betroffene oft zunächst auf organische Ursachen untersucht.
- Verdrängung und mangelndes Problembewusstsein: Viele Betroffene nehmen ihre Symptome zunächst nicht als krankhaft wahr oder erinnern sich nicht an die Ursachen.
Wie stellt man eine dissoziative Störung fest?
Die Diagnose erfolgt in mehreren Schritten:
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Anamnese: Das Gespräch mit dem Patienten Im Gespräch fragt der Arzt oder Therapeut nach:
- Den Symptomen: Welche Beschwerden liegen vor? Seit wann bestehen sie?
- Situationen, in denen die Symptome auftreten: Gibt es bestimmte Auslöser?
- Beeinträchtigungen im Alltag: Wie wirken sich die Symptome auf Arbeit, Familie und soziale Beziehungen aus?
- Vergangene Belastungen: Gab es traumatische Ereignisse oder Konflikte?
Typische Aussagen von Betroffenen:
„Ich finde mich manchmal an einem Ort wieder und weiß nicht, wie ich dorthin gekommen bin.“ „Ich verliere oft den Faden oder habe Erinnerungslücken.“ „Manchmal fühle ich mich wie ein Zuschauer in meinem eigenen Leben.“
Während des Gesprächs kann auffallen, dass der Patient:
- Gedächtnislücken hat
- Sein Verhalten plötzlich ändert
- Schwierigkeiten hat, sich zu konzentrieren
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Fragebögen zur Selbst- oder Fremdbeurteilung Um die Symptome systematisch zu erfassen, werden spezielle Tests eingesetzt:
- Dissociative Experience Scale (DES): Erfasst das Ausmaß von Dissoziation im Alltag.
- Impact of Event Scale (IES): Untersucht, wie stark ein Trauma nachwirkt.
- Dissociative Disorders Interview Schedule (DDIS): Strukturiertes Interview zur Diagnosestellung.
- Strukturiertes klinisches Interview für DSM-IV für dissoziative Störungen (SKID-D): Detaillierte Befragung zu Symptomen.
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Informationen von Dritten (z. B. Angehörige oder Ärzte) Da viele Betroffene selbst nicht bewusst wahrnehmen, wie stark ihre Symptome sind, kann es hilfreich sein, Familienangehörige oder enge Bezugspersonen nach Auffälligkeiten zu befragen.
Beobachtungen von Angehörigen können sein:
- Ungewöhnliche Erinnerungslücken
- Plötzliche Stimmungs- oder Verhaltensänderungen
- Phasen von „Abwesenheit“ oder „Weggetreten-sein“
Auch Arztberichte oder frühere Diagnosen können wertvolle Hinweise geben.
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Ausschluss organischer Ursachen Da viele dissoziative Symptome auch bei körperlichen Erkrankungen auftreten, muss zunächst überprüft werden, ob eine neurologische oder internistische Ursache vorliegt.
Mögliche Tests:
- Neurologische Untersuchung – Überprüfung von Reflexen, Sinneswahrnehmung und Bewegungsabläufen
- Bildgebende Verfahren (MRT, CT) – Um strukturelle Veränderungen im Gehirn auszuschließen
- EEG (Elektroenzephalographie) – Zum Ausschluss von Epilepsie
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Abgrenzung von anderen psychischen Erkrankungen Einige psychische Störungen haben ähnliche Symptome wie dissoziative Störungen. Eine differenzierte Diagnostik ist daher essenziell:
- Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS): Dissoziative Symptome treten oft in Stresssituationen auf, sind aber nicht das Hauptmerkmal der Erkrankung.
- Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS): Starke Ängste, Flashbacks und Albträume stehen im Vordergrund. Dissoziation tritt eher als Begleitsymptom auf.
- Schizophrenie: Bei Schizophrenie treten Halluzinationen und Wahnvorstellungen auf, die für dissoziative Störungen untypisch sind.
- Psychotische Störungen: Bei psychotischen Erkrankungen fehlt oft das Bewusstsein über die eigene Störung – bei dissoziativen Störungen haben Betroffene hingegen oft vage Erinnerungen an ihre „Aussetzer“.
Fazit: Warum ist eine genaue Diagnose so wichtig?
- ✅ Vermeidung von Fehldiagnosen: Dissoziative Störungen werden häufig als Depression, Borderline oder neurologische Erkrankungen missverstanden.
- ✅ Gezielte Behandlung: Nur wenn die Diagnose korrekt gestellt wird, kann eine individuell angepasste Therapie helfen.
- ✅ Erhöhung der Heilungschancen: Eine frühzeitige Diagnose verbessert die Prognose und ermöglicht eine bessere Bewältigung der Symptome.
- 💡 Wichtig: Wer den Verdacht hat, an einer dissoziativen Störung zu leiden, sollte sich an einen erfahrenen Psychotherapeuten oder Psychiater wenden. Je früher die richtige Diagnose gestellt wird, desto besser kann die Störung behandelt werden.